(ip/RVR) Erwirbt der Insolvenzschuldner während des laufenden Verfahrens durch Erbfall einen Pflichtteilsanspruch, so gehört dieser nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Insolvenzmasse und unterliegt der Nachtragsverteilung, wenn er nach dem Verfahren anerkannt oder rechtshängig gemacht wird.

Nach Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin verstarb deren Vater, wobei er den Bruder der Schuldnerin als Alleinerben eingesetzt hatte. Nach Aufhebung des Verfahrens ohne Verteilung an die Gläubiger erhob die Schuldnerin Klage gegen ihren Bruder wegen ihres Pflichtteilanspruchs. Durch rechtskräftiges Urteil wurde ihr dieser zugesprochen. Bezüglich dieses Betrages ordnete das Insolvenzgericht die Nachtragsverteilung an. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde blieb erfolglos. Ebenso hatte die Rechtsbeschwerde zum BGH in der Sache keinen Erfolg.

Auch nach Meinung des erkennenden IX. Senats seien die Voraussetzungen der Nachtragsverteilung nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO gegeben.

Zunächst sei der Pflichtteilsanspruch mit dem Erbfall während des Insolvenzverfahrens entstanden und gehöre damit zur Insolvenzmasse. Er unterliege trotz der Vorschrift des § 852 Abs. 1 Satz 1 ZPO der Pfändung: „Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Pflichtteilsanspruch bereits vor der vertraglichen Anerkennung oder Rechtshängigkeit als in seiner zwangsweisen Verwertbarkeit aufschiebend bedingter Anspruch gepfändet werden“ (Rz. 8 der Entscheidung).

Fraglich sei gewesen, ob der nach Verfahrensaufhebung gerichtlich geltend gemachte Pflichtteilsanspruch der Nachtragsverteilung zugänglich sei oder der Halbteilungsgrundsatz des § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO gelte oder der Anspruch dem Schuldner zustehe. Nach dem BGH sei die Nachtragsverteilung die richtige Lösung, weil der nachträglich eingeklagte Anspruch bis zur Aufhebung des Verfahrens zur Masse gehörte. Die Bedingtheit des Anspruchs ändere daran nichts und sei nur im Bezug auf die zwangsweise Verwertbarkeit zu verstehen; der Anspruch selbst sei mit dem Erbfall unbedingt entstanden. „Die uneingeschränkte, sofortige Verwertbarkeit ist aber keine Voraussetzung der Zugehörigkeit eines Vermögensgegenstands zur Masse“ (Rz. 9 der Entscheidung).

Dies entspräche auch der Regelung des Insolvenzverfahrens als Vollstreckungsverfahren. Ausgenommen aus dem Massebeschlag seien Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen (§ 36 Abs. 1 InsO). Dies solle sicherstellen, dass auch im Insolvenzfall die zur Führung eines menschenwürdigen Lebens notwendigen Mittel verbleiben. § 852 Abs. 1 Satz 1 ZPO diene jedoch nicht der Sicherung des Existenzminimums, sondern der Entscheidungsfreiheit des Pflichtteilsberechtigten. „Dieses Bestimmungsrecht des Schuldners wird nicht in Frage gestellt, wenn […ein solcher] Pflichtteilsanspruch der Nachtragsverteilung unterstellt wird. […] Entscheidet er sich gegen die Geltendmachung, kann der Anspruch nicht für die Masse verwertet werden. Entscheidet er sich für die Geltendmachung, unterliegt das erworbene Vermögen aber als Neuerwerb während des Insolvenzverfahrens der Nachtragsverteilung“ (Rz. 10 der Entscheidung).

BGH vom 02.12.2010, Az. IX ZB 184/09


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