(ip/RVR)Der Insolvenzrechtssenat des BGH nahm in seinem Beschluss vom 01.12.2011 zur umstrittenen Frage Stellung, ob der Grund des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO zur Versagung der Restschuldbefreiung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch eingreifen kann und bejahte dies.

Im Insolvenzverfahren gab der Verwalter die kreditfinanzierte Wohnimmobilie des Gemeinschuldners frei. Zwecks Vermeidung der Zwangsvollstreckung vereinbarten der Schuldner und dessen Ehefrau mit der Kreditgeberin eine monatliche Zahlung von EUR. 150,-. Die Zahlungen blieben aus bzw. beschränkten sich auf eine Einmalzahlung vom Konto der Ehefrau, worauf die Vereinbarung widerrufen wurde. Bei einem Antragsverfahren nach § 22 SGB II ließ der Schuldner über seine Anwältin einen gefälschten Kontoauszug vorlegen, der die vereinbarten monatlichen Zahlungen an die Kreditgeberin auswies. Die Anwältin hatte diesen Auszug von der Ehefrau des Schuldners erhalten. Im Schlusstermin beantragte die Kreditgeberin als Gläubigerin erfolgreich, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen. Das Insolvenzgericht stützte seinen Beschluss auf eine Verletzung des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO.

Die erhobene sofortige Beschwerde des Schuldners blieb erfolglos. Seine Rechtsbeschwerde war im Ergebnis erfolgreich, weil die Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht ausreichten, um subjektiv eine Verletzung des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO festzustellen. Die Sache wurde an das LG zurückverwiesen. Allein aus der Tatsache, dass der Schuldner den Kontoauszug ungeprüft an die Behörde weitergeben ließ, könne nicht auf eine grobe Fahrlässigkeit i. S. d. § 290 Abs. 1 InsO geschlossen werden, da der Schuldner keinen Zugriff auf das Konto der Ehefrau gehabt habe.

Objektiv sei jedoch der Tatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfüllt. Vereinzelt werde zwar die Auffassung vertreten, die Vorschrift sei nur im Zeitraum bis zur Verfahrenseröffnung anwendbar. Sie sei aber so zu verstehen, dass Falschangaben des Schuldners bei Erlangung eines Kredits und Beziehung oder Vermeidung öffentlicher Leistungen über die Eröffnung des Verfahrens hinaus bis zum Schlusstermin erheblich seien.

Der Wortlaut lasse beide Auffassungen zu. Nach Entstehungsgeschichte und Telos der Norm habe sich der Schuldner indes bis zu dem Zeitpunkt redlich zu verhalten, in dem der Versagungsgrund geltend gemacht werden muss. Ein Schuldner, der die im Gesetz genannten falschen Angaben mache, könne nicht als redlich angesehen werden. Dieser Grund bestehe auch weiter nach Eröffnung des Verfahrens bis zum Schlusstermin.

Auch komme es nicht darauf an, ob der beantragende Gläubiger durch die Falschangaben des Schuldners selbst betroffen sei. Dies wurde schon für den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO entschieden und gelte auch im Falle der Nr. 2. Es sei eine generalisierende Betrachtungsweise geboten, um den Normzweck des § 290 InsO zu erreichen, wonach der Schuldner die im Verfahren vorzulegenden Verzeichnisse sorgfältig erstellen und seine Gläubiger richtig und vollständig angeben solle. Ebenso unerheblich sei es, ob die falschen Angaben Bedeutung für die Befriedigung der Gläubiger erlangten.

Durch die klare zeitliche Befristung des Versagungsgrundes (drei Jahre vor Eröffnung des Verfahrens bis zum Schlusstermin) sei auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt: Bis zum Schlusstermin müsse der Schuldner bei einer Krediterschleichung mit der Versagung der Restschuldbefreiung rechnen, da seine Pflicht, sich redlich zu verhalten, nicht mit der Verfahrenseröffnung ende.

BGH vom 01.12.2011, Az. IX ZB 260/10


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