(IP) Hinsichtlich willkürlicher Verweisung eines Verfahrens in Sachen u.a. Zwangsversteigerung durch das Insolvenzgericht hat das Bayerische Oberlandesgericht (BayObLG) München mit Leitsatz entschieden.

„Verweist das Insolvenzgericht, in dessen Bezirk die vom Eröffnungsantrag betroffene Gesellschaft mit beschränkter Haftung ihren statutarischen, im Handelsregister auch eingetragenen Sitz hat, das Verfahren an das Gericht, in dessen Bezirk die im Handelsregister gleichfalls eingetragene Geschäftsadresse liegt, ohne die ihm obliegenden und sich aufdrängenden Ermittlungen zum Mittelpunkt einer Geschäftstätigkeit an der neuen Geschäftsadresse vorgenommen zu haben, so bindet die Verweisung wegen objektiver Willkür auch dann nicht, wenn das verweisende Gericht seine Entscheidung auf die grob fehlerhafte Rechtsauffassung gestützt hat, mit der Geschäftsadresse habe sich auch der allgemeine Gerichtsstand der Schuldnerin geändert.“

Mit Gläubigerantrag ersuchte der Antragsteller um Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Die wegen rückständiger Steuern und steuerlicher Nebenleistungen betriebene Zwangsvollstreckung sei - wie aus den beigefügten Ablichtungen der Vollstreckungsaufträge, Drittschuldnererklärungen, Niederschriften über Vollstreckungsversuche und Vermerken des Vollziehungsbeamten ersichtlich - erfolglos geblieben. Gemäß Drittschuldnererklärungen der Banken würden die von der Pfändung betroffenen Konten kein Guthaben ausweisen; vielmehr bestünden hohe Gegenforderungen der Banken und eine vorrangige Pfändung. Die Schuldnerin sei an ihrer Geschäftsanschrift nicht mehr zu ermitteln gewesen. An der provisorisch eingerichteten neuen Geschäftsanschrift sei zwar der vormalige Geschäftsführer der Schuldnerin angetroffen worden, der eine kurzfristige Begleichung sämtlicher Rückstände in Aussicht gestellt habe. Ein Ausgleich sei jedoch nicht erfolgt. Anlässlich eines weiteren Vollstreckungsversuchs mit anstehender Zwangsversteigerung sei die Schuldnerin auch an dieser Adresse nicht mehr zu ermitteln gewesen. Der danach bestellte neue Geschäftsführer der Schuldnerin sei postalisch an seiner Privatanschrift in der Republik Polen erreichbar, solle aber laut Auskunft des früheren Geschäftsführers auch in Berlin ansässig gewesen sein.

Mit Verfügung wies das Insolvenzgericht München den Antragsteller darauf in Folge hin, dass es aus seiner Sicht für die Durchführung des Verfahrens örtlich nicht zuständig sei. In erster Linie richte sich die Zuständigkeit nach dem allgemeinen Gerichtsstand der Schuldnerin. Befinde sich der Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit an einem anderen Ort, so sei dieser maßgeblich. Der Antragsteller erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme sowie zur Stellung eines Verweisungsantrags. Er machte keine ergänzenden Ausführungen, sondern beantragte lediglich Verweisung an das Amtsgericht Charlottenburg. Das Amtsgericht Charlottenburg behielt sich die Übernahme bis zur Klärung der Zuständigkeit vor. Der Schuldnerin konnte der Insolvenzantrag nicht zugestellt werden.

Das Original-Urteil kann hier abgerufen werden:

BayObLG München, Az.: 1 AR 139/19

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