(IP/RVR) „Das in § 885 Abs. 2 bis 4 ZPO vorgesehene Verfahren ist auf Tiere entsprechend anwendbar, die sich auf dem zu räumenden Grundstück befinden; dies gilt auch, wenn die durch das Räumungsverfahren entstehenden Kosten etwa wegen der Art oder Anzahl der Tiere sehr hoch ausfallen. Scheitert der Versuch des Gerichtsvollziehers, die in Verwahrung genommenen Tiere nach § 885 Abs. 4 Satz 1 ZPO zu verkaufen, hat der Gläubiger für die Kosten einer weiteren Verwahrung der Tiere nicht mehr aufzukommen.“ So der Leitsatz des BGH-Beschlusses vom 04.04.2012.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall wurde der Schuldner rechtskräftig zur Grundstücksräumung verurteilt. Auf dem betroffenen Grundstück betrieb er eine Zucht mit Dammwild.

Wie im Rahmen der Herausgabevollstreckung von Grundstücken zu verfahren ist, wenn auf dem Grundstück Tiere gehalten werden, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass das zuständige Ordnungsamt für die Unterbringung und Versorgung der Tiere zu sorgen hat. Die Gegenansicht hält das Verfahren gem. § 885 Abs. 2 – 4 ZPO für maßgebend, da die betroffenen Tiere wie bewegliche Sachen zu behandeln sind. Der BGH hat sich mit seinem Beschluss der letztgenannten Ansicht angeschlossen.

Bewegliche Sachen, auf die sich die Zwangsvollstreckung nicht bezieht, sind gem. § 885 Abs. 2 ZPO vom Gerichtsvollzieher wegzuschaffen und dem Schuldner oder einer Ersatzperson zu übergeben. Ist keine geeignete Person anwesend, hat der Gerichtsvollzieher die Sachen gem. § 885 Abs. 3 ZPO auf Kosten des Schuldners in Verwahrung zu bringen. Fordert der Schuldner die Sachen nicht binnen zweier Monate heraus oder weigert er sich die Verfahrenskosten zu tragen, hat der Gerichtsvollzieher sie zu verkaufen.

§ 90a S. 3 BGB bestimmt, dass die für Sachen geltenden Vorschriften auf Tiere entsprechend anzuwenden sind, soweit nichts anderes bestimmt ist. Dies ist bei der Herausgabevollstreckung von Grundstücken der Fall. Insoweit gibt es keine tierspezifischen Sondervorschriften. Die § 885 Abs. 2 – 4 ZPO sind somit vollumfänglich anwendbar. Der Gerichtsvollzieher muss allerdings den Belangen des Tierschutzes und den Vorschriften des Tierschutzgesetzes Rechnung tragen. Dies kann insbesondere dadurch erfolgen, dass die vorgesehene Verwahrung in einem Tierheim oder einer anderen geeigneten Einrichtung erfolgt. Falls der Gerichtsvollzieher die Tiere wegen ihrer Größe, Gefährlichkeit oder aus anderen Gründen nicht selbst wegschaffen kann, muss er hiermit Hilfspersonen beauftragen. Falls erforderlich kann er im Wege der Amtshilfe auch staatliche Stellen zur Unterstützung heranziehen. Für die anfallenden Kosten hat der Gläubiger einen entsprechenden Kostenvorschuss zu leisten. Diese können in Einzelfällen fünf- oder sechsstellige Beträge erreichen.

Wenn es wegen Nichtabforderung oder Nichtübernahme der Kosten durch den Schuldner gem. § 885 Abs. 4 ZPO zum Verkauf der Tiere kommt und dieser fehlschlägt, hat der Gläubiger für die weitere Verwahrung und Versorgung allerdings nicht mehr aufzukommen. Sachen dürfen in diesem Fall vernichtet werden. Bei Tieren besteht diese Möglichkeit nicht, weil dies gegen das Tierschutzgesetz verstoßen würde. Die dauerhafte Verwahrung der Tiere, obliegt in diesem Fall nicht dem Gläubiger, sondern der Allgemeinheit.

BGH Beschluss vom 04.04.2012, Az. I ZB 19/11

 

© Copyright immobilienpool.de / RVR Rechtsanwälte Stuttgart